Mental Health: Drei Wege für mehr Wohlbefinden

„Psychische Gesundheit ist besonders wichtig, aber sie ist mehr als das: Sie ist zentral für unser Glück.“  Lord Richard Layard   (Layard zitiert in Badura & Steinke 2011, S. 5 )

Schaut man sich die Stress-Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2016 an, so fühlen sich sechs von zehn Menschen in Deutschland beruflich oder privat gestresst (Vgl. Techniker Krankenkasse 2016, S. 6). Bedenkt man dabei, dass diese 60 Prozent der Durchschnitt über alle Altersstufen ist, so ist die Prozentzahl bei der arbeitenden Bevölkerung nochmals höher. Bei den 30-bis 39-Jährigen kommt man beispielsweise auf einen Wert von 82 Prozent der Befragten, die sich entweder manchmal oder häufig gestresst fühlen (Vgl. Techniker Krankenkasse 2016, S. 7). Mit Blick auf die Pandemie und den damit einhergehenden zusätzlichen Stressoren wie beispielsweise Unsicherheit, Angst vor Krankheit, Doppelbelastung oder Isolation ist die gefühlte Stresswahrnehmung in den vergangenen 1,5 Jahren sicher nicht gesunken bzw. aller Wahrscheinlichkeit nach sogar noch gestiegen.

Hält die Stressreaktion des Körpers über eine längere Zeitspanne an, kann sich dieser nicht ausreichend erholen. Es drohen langfristig Erschöpfung und Krankheiten wie beispielsweise Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Depressionen, Bluthochdruck etc. (Vgl. Kaluza 2011, S. 193). Daher ist es wichtig, auf unsere physischen und psychischen Ressourcen acht zu geben – auch wenn es im Alltag nicht immer so leicht fällt und unsere Rollenanforderungen uns in die entgegengesetzte Richtung ziehen.

Die drei nachfolgend skizzierten Wege zur Förderung der eigenen mentalen Gesundheit sollen eine einfache Anleitung sein, das eigene Stressempfinden zu reduzieren und das persönliche Wohlbefinden zu steigern.

Achtsamkeit praktizieren

Viele Menschen sind mit ihren Gedanken kaum im gegenwärtigen Moment, sondern bei Erlebnissen aus der Vergangenheit oder bei potentiellen Ereignissen/To-dos in der Zukunft. Auf dem Weg vom Bett ins Bad denken wir beispielsweise an die bevorstehenden Herausforderungen des Tages. Beim Zähne putzen geht uns ein Erlebnis vom Vorabend durch den Kopf. Und wenn wir dann im Büro angekommen sind (mit Blick auf die Zeit vor oder nach der Pandemie), wissen wir häufig gar nicht mehr genau wie. So geht es zumeist den gesamten Tag weiter und mündet manchmal darin, dass wir uns von unseren Gedanken regelrecht „überrannt“ fühlen und kaum mehr abschalten können. Wir agieren im Autopilot – anhand von definierten Strategien und Mustern. Achtsamkeit schafft hier Abhilfe. Sie lehrt uns im gegenwärtigen Moment zu sein – das Hier und Jetzt mit allen Sinnen wahrzunehmen. Das ermöglicht uns, wieder mehr in den Kontakt mit uns selbst und in dem gegenwärtigen Moment anzukommen sowie das eigene Leben bewusst auszurichten (Vgl. Schneider 2012, S. 9). Dabei müssen nicht erst Kurse in Achtsamkeits-Yoga oder Körpermeditation absolviert werden. Beginnen kann jeder beispielsweise mit bewussten Pausen am Tag. In diesen hilft es, kurz in sich hinein zu spüren und sich zu fragen: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich jetzt/heute, um mein Wohlbefinden zu steigern? In Stresssituationen hilft es, erstmal durchzuatmen und zu schauen, was gerade den Stress in mir auslöst. Ist es die Situation oder vielleicht sogar ein persönlicher Stressverstärker (Perfektionismus, Überzeugungen wie „Ich muss es allein schaffen.“, Angst vor Versagen etc.) (Vgl. Kaluza 2011, S. 215 f.). Durch das gezielte Praktizieren von Achtsamkeit im Alltag lernen wir wieder, unsere Autopilot- und Stressreaktionen zu beobachten und ihnen auf die Schliche zu kommen sowie die Signale unseres Körpers wahrzunehmen (Vgl. Kaluza 2011, S. 7).

Die Macht der positiven Emotionen

Wie oft lassen wir uns von schlechten Nachrichten runterziehen oder konzentrieren uns auf die Dinge, die scheinbar nicht funktionieren. Die Wissenschaft hat hier den sogenannten Negativitätseffekt als menschliche Neigung ausgemacht. Dieser besagt, dass negative Erlebnisse, Gedanken oder Gefühle einen größeren Einfluss auf uns haben – als beispielsweise neutrale oder positive Reize (Vgl. Stangl 2021). Damit wird unsere Aufmerksamkeit eher den negativ bewerteten oder anmutenden Faktoren zugewandt (Vgl. Stangl 2021). Beziehen wir diese Erkenntnis auf den eigenen Alltag, ist es nicht verwunderlich, dass sich vielerorts schneller ein Unbehagen anstelle von positiven Empfindungen einstellt. Diese positiven Emotionen wie Freude, Neugier, Dankbarkeit etc. sind allerdings essentiell, wenn es um die Steigerung des eigenen Wohlbefindens geht. Sie sind die Tankstelle für das eigene Glücksempfinden. Positive Emotionen fördern den Optimismus, lassen uns offener, freier und neugieriger werden und fördern den Zugang zu unserer Kreativität und Problemlösekompetenz (Vgl. Ernst 2016). Sie lindern Stressreaktionen und helfen negative Emotionen leichter hinter sich zu lassen (Vgl. Ernst 2016).

Daher ist es sinnvoll, sie im Alltag gezielt zu fördern. Sich Auszeiten für Entspannung zu nehmen, ist hinreichend bekannt und wichtig. Doch wie oft schaffen wir es, uns dann ganz darin fallen zu lassen. Ohne die Gedanken an die To-do-Liste oder an vermeintliche Sorgen und Ängste. Das Motto sollte hier öfter lauten: „Enjoy“! Genieße das Schöne mit allen Sinnen! Integriere freudige Aktivitäten und persönliche Kraftquellen ganz gezielt in den eigenen Alltag, auch wenn die To-do-Liste noch so lang scheint. Stell dir dabei die Fragen: „Wo kann ich richtig auftanken? Was macht mir große Freude? Wo kann ich ich sein und ganz darin aufgehen? Was wollte ich schon immer mal ausprobieren, weil es mich anspricht?“ Das kann der gemütliche Spaziergang an der frischen Luft, das Lesen eines guten Buches, ein tolles Hobby oder die persönliche Yoga-Praxis sein. Ganz egal. Hauptsache wir können uns dabei vollständig in diese positiven Emotionen hineingeben und sie intensiv erleben und genießen.

Sich selbst der beste Freund sein

Du kennst das vielleicht auch: Wie oft stehen wir mit uns selbst in Kritik? Machen uns Gedanken, was wir alles „hätten, müssten, sollten“, was wir noch nicht richtig an uns finden, was besser werden muss, woran wir noch arbeiten müssen. Diese Liste könnten wir unendlich lang werden lassen. Heraus kommt, dass wir oft im Widerstand mit uns selbst sind und unsere Gedanken gegen uns richten. Und sind wir mal ehrlich: Würden wir so mit einem geliebten Menschen umgehen? Niemals! Tragen diese Gedanken zu dem eigenen Wohlbefinden bei? Auch nicht! Daher lohnt es sich, den Blick für die eigenen Stärken zu öffnen. Was kann ich gut? Welche Herausforderungen habe ich schon gemeistert? Welche Talente bringe ich mit und nutze ich diese gezielt? Auch wenn der innere Kritiker jetzt anfängt zu toben und meint, nichts positives zu finden – Jeder Mensch hat Stärken. Es ist die Frage, ob man diese selbst schon im Blick hat.

Eine gute Übung dafür ist, sich am Abend mindestens fünf „gute Momente“ des Tages nochmal ins Gedächtnis zu holen. Und sich dann bei jedem Moment zu fragen: Was war mein Beitrag dazu? Wenn beispielsweise ein erfolgreiches Gespräch mit einem Kunden zu diesen fünf Momenten zählt, dann könnte ich mich fragen, wie ich dazu beigetragen habe. Also beispielsweise durch die eigene offene, sympathische Art oder durch eine gekonnte Fragetechnik oder vielleicht durch mein Talent schnell Vertrauen zu schaffen. Was auch immer! Wenn wir unseren Beitrag erkennen, dann steigert sich dadurch die eigene Selbstwirksamkeit und somit unser Bewusstsein für die eigenen Stärken. Es stellt sich vielleicht sogar ein Gefühl von Zufriedenheit oder Stolz über die eigenen Leistungen ein.

Dranbleiben lautet die Devise

Das eigene Wohlbefinden sollte wieder mehr in den Fokus rücken. Wenn wir gut für uns selbst sorgen, laden wir die eigenen Akkus wieder auf und erschöpfen nicht. Wenn man eine neue Gewohnheit beispielsweise der Achtsamkeit oder der Selbstfürsorge etablieren möchte, dann reicht es nicht aus, diese einmal zu praktizieren und auf den gewünschten Erfolg zu hoffen. Die Regelmäßigkeit bringt die gewünschten Effekte und steigert das Wohlbefinden nachhaltig. Ich vergleiche es immer gern mit Muskeltraining in einem Fitnessstudio. Muskeln baut man auch nicht durch nur eine Trainingseinheit auf.

Viele Unternehmen erkennen das Potential der Prävention

Immer mehr Unternehmen erkennen, dass es wichtig ist, die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiter gezielt zu fördern. Das kann mittels individuellen Coaching-Angeboten, Entspannungskursen oder zusätzlichen Urlaubstagen geschehen. Auch die LF Gruppe hat die Kolleginnen und Kollegen mit zusätzlichen Mental Health Workshops und der Einführung einer Gesundheits-App unterstützt. Diese Formate öffnen den Raum für dieses wichtige Thema und den Austausch dazu im eigenen Haus. Sie geben Impulse für die eigene mentale Gesundheit, dienen der Selbstreflexion und fördern das Wohlbefinden.

Quellen:

Badura B. & Steinke M. (2011). Die erschöpfte Arbeitswelt. Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

Ernst, H. (2006). Warum positive Gefühle so wichtig sind. Psychologie Heute, 2006 (1). Weinheim: Julius Beltz Verlag/Verlagsgruppe Beltz. abgerufen 09.02.2021, Link

Kaluza, G. (2011). Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. 2. Aufl. Berlin: Springer.

Schneider, M. (2012). Stressfrei durch Meditation. Das MBSR-Kursbuch nach der Methode von Jon Kabat-Zinn. München: O.W. Barth

Stangl, W. (2021). Stichwort: ‘Negativitätsbias’. Lexikon für Psychologie und Pädagogik. abgerufen 09.02.2021, https://lexikon.stangl.eu/23062/negativity-bias-negativitaetsbias/

Techniker Krankenkasse (2016). Entspann dich, Deutschland. TK-Stress-Studie 2016. Techniker Krankenkasse. abgerufen 21.05.2021, https://www.tk.de/resource/blob/2026630/9154e4c71766c410dc859916aa798217/tk-stressstudie-2016-data.pdf

Bild: Foto by Jacqueline Munguía on Unsplash (abgerufen 09.06.2021, https://unsplash.com/photos/1pAwJiCD60c)